BLICKPUNKT: FILM
Generationen-Gap
Filmfest-Premiere: „Nix ist fix“ als Plädoyer für das Miteinander
Am 1. Juli feiert die Tragikomödie „Nix ist fix“ innerhalb der Reihe Neues Deutsches Fernsehen auf dem Filmfest München Premiere. Blickpunkt:Film sprach mit Autorin Dominique Lorenz, Regisseurin Natalie Spinell und dem Produzententrio Annie Brunner, Ursula Woerner und Andreas Richter von Roxy Film über den Film.
Ein klassischer Fall von Heimspiel: Die Tragikomödie „Nix ist fix“
feiert ihre Premiere auf dem Filmfest München. Das Drehbuch stammt von der Münchner Autorin Dominique Lorenz, Regie führte die Münchnerin Natalie Spinell, die auch als kreativer Kopf hinter der München-Serie „Servus Baby“ steht, produziert wurde der Film von der Münchner Roxy Film, und im Cast stößt man auf Julia Koschitz, Maximilian Brückner, Brigitte Hobmeier oder Felix Hellmann – alles Namen, die eng mit der Bayerischen Landeshauptstadt in Verbindung stehen. Nur der Sender, der kommt aus Mainz.
„Wunderschön“, findet es Natalie Spinell in Erwartung eines bunt gefächerten Screening-Publikums, gespickt mit Familie, Freunden und Branchen-Vertretern, ihren Film in ihrer Stadt präsentieren zu können. Dominique Lorenz empfindet es als „Geschenk“, auf der großen Kinoleinwand gezeigt zu werden, und freut sich sehr auf die unmittelbaren Reaktionen des Publikums: „Das erleben wir ja sonst nicht.“ Die „Roxys“ sind natürlich keine heurigen Filmfest-Hasen mehr, viele ihrer TV-Produktionen wie „Das Beste kommt erst“ (2008), „Sau Nr. 4“, „Die Hebamme“ (beide 2010), „Monsoon Baby“ (2014) oder „Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit“ (2015) feierten auf dem Sommer-Festival ihre Premiere. Eine Ehre ist es immer wieder auf’s Neue, zumal es durch die Öffnung für Serien nur acht Slots für Fernsehfilme in der TV-Reihe gibt. „Wir wissen von vielen, die enttäuscht darüber sind, dass sie nicht ausgewählt wurden“, sagt Annie Brunner. Sie sieht die diesjährige Filmfest-Premiere auch als Entschädigung. 2020 machte Corona Dominique Lorenz und der Roxy einen Strich durch die Rechnung. Damals fand kein Filmfest statt. Für ihren gemeinsamen Film „Eine harte Tour“ gab es dann zwar drei Fernsehpreis-Nominierungen und die Autorin ebenso wie Regisseurin Isabel Kleefeld erhielten den Deutschen Fernsehpreis, aber die Preisgala konnte nicht stattfinden. „Stattdessen saß man vor dem Laptop und das schöne Kleid blieb im Schrank hängen“, erinnert sich Lorenz.

Julia Koschitz und Slavko Popadić überwinden den Generationen-Gap; Foto: ZDF/Roxy Film
„Eine harte Tour“ ist aber auch ein gutes Stichwort für „Nix ist Fix“. In beiden Filmen geht es um eine Gruppe von Freunden, die in den Bergen unterwegs sind. Besteht eine Verbindung zwischen den Filmen? „Man hätte ‚Eine harte Tour’ weitererzählen können“, bestätigt Andreas Richter, „aber wir haben uns dagegen und für einen davon unabhängigen Film entschieden. Wir haben völlig neue Figuren kreiert und wollten auch eine andere Generation miterzählen.“
In „Nix ist Fix“ wollen sieben Freunde, alle Mitte 40, ein Wochenende auf der luxuriösen Berghütte der von Julia Koschitz gespielten Hauptfigur Juliane verbringen. Oben angekommen, treffen sie auf eine schwangere Frau und die zwei potentiellen Väter ihres Kindes - alle Anfang, Mitte Zwanzig. Sie haben sich in der verwaisten Hütte breitgemacht und lehnen die Kategorie Eigentum ab. Ein Clash der Generationen und Haltungen bahnt sich an. Aus dieser reizvollen Ausgangskonstellation hat Dominique Lorenz einen bissigen Kommentar zur heutigen Zeit und zu unserer gespaltenen Gesellschaft entwickelt. Die präzise herausgearbeitete Kluft zwischen den Generationen wird in der Inszenierung von Spinell und dank des facettenreichen Spiels des zehnköpfigen Ensembles, dem noch Friederike Kempter, Katrin Wichmann, Marcel Mohab, Slavko Popadić, Simon Morzé und Camille Dombrowsky angehören, geradezu greifbar. Der Titel ist Programm. Verlässlichkeiten sind Vergangenheit - nix ist mehr so, wie es war.
„Für mich ist ‚Nix ist fix‘ eine Parabel sowohl auf Freundschaft als auch auf unsere gespaltene Welt. Es geht darum, über seinen eigenen Tellerrand hinauszublicken und eine andere Sichtweise anzunehmen“, sagt Dominique Lorenz. „Nur, wenn wir uns verändern, haben wir eine Chance“, ergänzt Annie Brunner, „sonst werden wir als zivilisierte Gesellschaft auf lange Sicht nicht überleben. Deshalb zeigen wir auch die Erschütterung dieses eigentlich unerschütterlichen Bergs.“ Für sie ist der Film „auch ein Blick nach vorne“. Dominique Lorenz stellt mit Blick auf die aufeinandertreffenden Generationen die Frage: „Gelingt es uns, ein gemeinsames Narrativ zu finden?“

Die Natur ist die elfte Protagonistin, hier in Einklang mit Brigitte Hobmeier, Katrin Wichmann, Friedrike Kempter und Julia Koschitz; Foto: ZDF/Roxy Film
Im Film gelingt dies in einem fast schon märchenhaften Schluss, er wird zum Plädoyer dafür, dass es nur miteinander geht. Zunächst lassen Lorenz und Spinell die ältere Generation ziemlich alt aussehen. Die Jungen wollen nicht weichen, es droht eine handfeste Auseinandersetzung. Doch die Älteren sind im Umgang miteinander so zerstritten, dass die Jungen freiwillig Reißaus nehmen. Am Ende aber bauen Lorenz und Spinell den Älteren eine Goldene Brücke. Sie raufen und reißen sich zusammen und helfen den Jungen aus großer Not. Auch wie gelassen sie bleiben, als am Schluss die Niederkunft nicht mehr auf sich warten lässt und zur Hand gehen, ist ein schönes Bild für das Miteinander der Generationen.
Wie unter den Freunden anfangs die Fetzen fliegen, ist allerhöchste Unterhaltungskunst. Aber der Gedanke, man bewegte sich selbst in so einem Umfeld, lässt einen auch ein kleines bisschen erschaudern. „Natürlich ist das überspitzt“, sagt Natalie Spinell, „aber ich finde, trotzdem, dass jeder nachvollziehbar ist. Jeder bleibt in seiner Bubble und will sich gut verkaufen. Das ist ja auch eines der Probleme unserer Zeit, und deshalb sind wir manchmal nicht ehrlich genug miteinander.“ Dominique Lorenz hat dabei auch die Frage interessiert, was hält Freundschaft eigentlich aus? Ursula Woerner ergänzt: „Faktisch geht es darum, dass Jüngere eine neue Richtung in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen. Das ist im Prinzip nichts Neues.“ Der Komplexität der Meinungen gerecht zu werden, stehe als „Statement über dem ganzen Projekt“.
Dass die Jugendlichen in das Haus eindringen und es für sich in Anspruch nehmen, weil es ohnehin die ganze Zeit leer steht, bezeichnet Natalie Spinell als „krasse Ausgangssituation“. Einerseits verspürt sie Verständnis für den Gedanken, wenn ein Haus nur zwei Wochenenden im Jahr genutzt wird „und andererseits würde ich wahrscheinlich einen Vogel kriegen, wenn sich jemand in meinem Haus einfach so einnisten würde.“ Ein Dilemma, aber ein schönes, findet Spinell. „Weil man das nicht gut austarieren kann. Es gibt keine richtige Lösung bei diesen grundverschiedenen Überzeugungen.“
Spinell war eine ganz bewusste Regiewahl - einerseits, weil sie in „Servus Baby“ par excellence tragischere Momente mit ihrer großen Gabe, komödiantisch zu erzählen und inszenieren, in Einklang brachte. Anderseits, weil sie eine größere Nähe zur jüngeren Generation versprach. Dominique Lorenz empfand die Zusammenarbeit als sehr angenehm und erzählt, dass es „Natalie wichtig war, die Jungen politisch besser zu verstehen. Das haben wir dann verstärkt.“ Im ZDF fand das Projekt in der Redaktion von Caroline von Senden sofort die richtigen inhaltlichen Partner. „Mit der Redakteurin Anja Helmling-Grob verbindet uns eine langjährige Vertrauensbeziehung, sie hat wichtige inhaltliche Akzente schon in die Bucharbeit eingebracht“, betont Annie Brunner.
So spielt die Natur in dem Film eine besondere Rolle, Natalie Spinell bezeichnet sie als „weitere Protagonistin“. „Wir sind so klein ihr gegenüber, nur ein Fliegenschiss im Universum“, zitiert Dominique Lorenz eine ihrer Protagonistinnen. Diese Macht der Natur als „spannender Gegenpol“ (Spinell) kommt gut zum Ausdruck. Am Ende ereignet sich ein Bergsturz, der die Gruppe nur knapp verfehlt.
Anders als noch „Eine harte Tour“, auf die man sich in Südtirol begab, entstand „Nix ist fix“ in Österreich. Nicht zuletzt, weil die Produktion vom damals noch schlagkräftigen Fördermodell FISA+ und den Geldern der Cine Tirol profitierte. Die WHee Filmwar Partnerin in Österreich und übererfüllte die Erwartungen. „Das sind alles Filmemacher, das spürt man in ihrer Haltung, das war eine Partnerschaft auf Augenhöhe“, findet Ursula Woerner.

Maximilian Brückner, Marcel Mohab, Brigitte Hobmeier und Camille Dombrowsky; Foto: ZDF/Roxy Film/Stefanie Leoo
Noch vor der Finanzierung und dem Suchen und Finden der geeigneten Schauplätze, sind für Andreas Richter die inhaltlichen Entscheidungen immer die wichtigste produzentische Leistung. „Was für einen Film will man machen? Was will man erzählen, wo man will man hin? Damit steht und fällt alles“, so Richter. Zu den besonderen Herausforderungen für das Roxy-Trio zählte bei „Nix ist Fix“, den zehnköpfigen Cast unter einen Hut zu bringen. „Das war eine Aufgabe!“, bestätigt Annie Brunner. Spielraum bei der Anzahl der Drehtage gab es dadurch keinen, die Zeit zum Proben war knapp bemessen. Das ZDF wünschte sich für den Film eine hochkarätige Besetzung. Ohne die, räumt Annie Brunner, wäre der Film auch nicht zu finanzieren gewesen. Julia Koschitz war früh gesetzt, danach wurden die drei Paare gecastet, zum Schluss das junge Trio. „Mir war dabei vor allem wichtig, dass sie auch ein komisches Talent haben, damit bei jeder Figur ein Schalk im Nacken sitzen kann und die humorvolle Ebene funktioniert“, erläutert Natalie Spinell, die selbst als Schauspielerin begann und später an der HFF München Regie studierte. Sie betrachtet die Kombination aus Schauspiel und Regie als Geschenk. „Es ist nicht bei allen Schauspielern so, aber oft habe ich das Gefühl, dass auf der anderen Seite ankommt, dass ich vielleicht ein anderes Verständnis für mein Gegenüber habe.“ Für die Roxy stand sie zuletzt auch selbst vor der Kamera, gemeinsam mit ihrem Mann Felix Hellmann spielt sie in der ZDF-Reihe „Familie Anders“ ein Paar, das einen Paartherapeuten, aufsucht.
Gibt es auch Gedanken, das „Nix ist fix“-Ensemble noch einmal zusammenzubringen, und die markanten Charaktere weiterzuerzählen? „Absolut. Dazu gibt es auch eine Idee“, meint Andreas Richter, verweist aber auch auf einen weiteren Ensemblestoff, „Rennen statt Flennen“, „an dem wir derzeit mit Dominique Lorenz arbeiten.“ Darüber hinaus ist die Roxy wieder stark im Kino engagiert. Aktuell wurde das Projekt „Europa - Beim Griechen“ in die Förderung eingereicht. Darin wird die Geschichte der ersten griechischen Taverne in Deutschland, gegenüber des Bundesverfassungsgerichts, erzählt. Eine Komödie, ein bisschen in der Tradition von „Almanya“, einem der größten Roxy-Hits, kündigt Richter an. „In einer Zeit, in der Debatten über Zugehörigkeit und Herkunft immer lauter werden, soll diese Geschichte über Demokratie und Freundschaft, die über kulturelle Grenzen hinausreicht, den Bogen von den 70er und 80er Jahren der Bundesrepublik bis ins Heute spannen.“ Der Dreh ist für Frühjahr 2026 in München, Karlsruhe und Griechenland geplant.
Momentan schaut auch Natalie Spinell in Richtung Kino - für „Glück im Arsch“ gab es gerade Fördergelder vom FFF, im Winter soll gedreht werden. Und bei „Servus Baby“ muss nach drei Staffeln noch lange nicht Schluss sein. Die Festival-Erfahrungen in Hof und München und die begeisterten Zuschauerreaktionen stacheln Spinell und ihren Partner Felix Hellmann eher dazu an, etwas größer zu denken…
Frank Heine
CAST & CREW:
Auftaggeber/Sender: ZDF
Produktion: Roxy Film - Annie Brunner, Andreas Richter, Ursula Woerner
Regie: Natalie Spinell
Buch: Dominique Lorenz
Redaktion: Anja Helmling-Grob
Cast: Julia Koschitz, Friederike Kempter, Maximilian Brückner, Brigitte Hobmeier, Felix Hellmann, Katrin Wichmann, Marcel Mohab, Slavko Popadić, Simon Morzé, Camille Dombrowsky
Kamera: Ahmed El Nagar
Montage: Amparo Mejías Auñón
Musik: Iva Zabkar
Produktionsdesign: Markus Dicklhuber
Kostümbild: Christine Ludwig
Maskenbild: Tünde Kiss-Benke
Casting: Kathrin Küntzel-Sedler, Casting Mareth & Rölcke